Garten April Axel kommt etwas abgehetzt zum Interview, er war in einem Nachbardorf Pferdemist abholen. „Normalerweise bezahlt man dafür 50 € /m³“ erzählt er mir stolz, “wir bekommen ihn dort umsonst.“

Barbara : Erzähl doch mal ein bisschen: Wie viele Menschen arbeiten zur Zeit im ZEGG Garten?

Axel: Hauptverantwortlich sind wir zu zweit: Gerd Miklis und ich. Dazu haben wir Leyla als ersten Lehrling, sie schließt jetzt im Sommer ihre Gärtnerlehre ab. Und wir arbeiten mit Freiwilligen – Jule macht hier ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr und ist jeden Morgen dabei, Rachel macht einen Bundesfreiwilligendienst und kommt 2-3 mal die Woche.

Und jetzt beginnt die Saison mit den Gästen: Saisonmitarbeiter und Sommergäste unterstützen uns mit 5-8 Menschen pro Woche. Und es kommen Menschen, die sich für Freiwilligendienste oder Lehrstelle bewerben.

Barbara: Das klingt ja nach relativ viel Fluktuation.

Axel: Im Moment schon, denn bei den Freiwilligen ist uns wichtig, dass die Menschen eine Probewoche hier machen. Damit sie und wir wissen, worauf wir uns einlassen. Diesen Monat haben wir gerade 7 FÖJ Bewerber und 6 Bewerber für die Lehrstelle. Das ist schön, weil die Menschen durchweg sehr motiviert sind, auch wenn sie meist noch wenig Wissen haben. Es ist gut, sich kennen zu lernen, denn später arbeiten diese Menschen ja nicht nur im Garten, sondern sie haben auch die Aufgabe, andere Gäste anzuleiten. Und sie sind während ihrer Zeit hier Teil der Gemeinschaft, d.h. auch da gilt es zu gucken, ob die Chemie stimmt.

Barbara: Gibt es noch andere Kriterien für die Lehrstelle?

Axel: Ich möchte nur jemand nehmen, der sich vorstellen kann, die Berufsschule auch abzuwählen… wer Abitur hat, kann den Unterrichtsstoff meist und darf die Schule auch abwählen. Sonst ist die Zeit hier zu kurz. Leyla habe ich gesagt, guck dir die Schule drei Wochen an – und wenn du da nichts lernst, dann wähle sie ab. So hat sie es auch gemacht, sie ist nur zu Fachlehrgängen gegangen.

Barbara: Wie waren für dich sonst die Erfahrungen mit deinem ersten Lehrling?

Axel: Für mich war es eine Herausforderung, weil ich nicht wusste, schafft sie es oder nicht? Letztlich musste sie sich ja auch recht viel selbst erarbeiten. Das Praktische haben wir ihr alles beigebracht, aber sonst habe ich darauf vertraut, dass sie sich holt, was sie lernen muss. Und dann musste sie ja zwei Monate in einen anderen Betrieb, da arbeiten wir mit 2 sehr unterschiedlichen zusammen… aber das hat sie alles sehr gut gemeistert und auch die Prüfungen bisher mit sehr gut und gut bestanden.

Barbara: Wie viel Gartenfläche bewirtschaftet ihr denn?

Axel: Hier im ZEGG haben wir die Fläche jetzt von 4.000 m² auf 7.000 m² vergrößert. Und in Lübnitz haben wir 8.000 m² dazu bekommen. Dort bauen wir v.a. Kartoffeln, Kohl, Lauch, Rote Bete und Zwiebeln an und natürlich eine große Fläche Gründüngung. Die Flächen dort sind überlagert von Quecken und die entfernen wir. Wir haben 3 Tonnen Quecken abgefahren. Und anschließend bedecken wir die Fläche so stark mit Gründüngung dass die Reste der Quecke darunter abstirbt.

Barbara: Arbeitet ihr mit Permakultur?

Axel: Ja, immer mehr. Wir nutzen viele Techniken wie Untersaaten und Mulchen und nähern uns der Permakultur an. Wir versuchen, die Bodenbearbeitung rauszuziehen. Z.B. haben wir eine Kultur mit Ackerbohnen, die treten wir in der Vollblüte platt, sie leben noch 6 Wochen, sterben langsam ab und mulchen den Boden für den Grünkohl, der dann gepflanzt wird. Das ist eine tolle Sache. So haben wir viele Parzellen mit Permakultur…

Barbara: Und was probiert ihr sonst gerade Neues aus bei Euch?

Axel: Wir haben Versuche laufen mit Marktgartenbeeten, das ist eine Idee aus Paris um 1900 rum. Das sind schmale Beete mit tiefer liegenden Wegen. Die Beete werden mit einer Spezialgabel 30 cm tief gelockert. Normalerweise mit der Fräse kommt man nur auf 15 cm. Danach werden die Beete nicht mehr betreten. Dadurch kannst du die Pflanzen enger stellen und weil die Erde lockerer bleibt kriegen sie trotzdem genug Nährstoffe. Die Wege begrünen wir mit Klee, den kann man dann zwischendurch abrupfen und als Mulch auf die Beete werfen. Die Idee ist, dass alle Flächen begrünt sind, das macht die Natur ja auch so, sie holt sich eh alle Flächen zurück. Die Beete musst du im ersten Jahr zwei Mal tief lockern, im zweiten Jahr 1 x, bis die Bakterien den Boden erobert haben, dauert es 3 Jahre. Wir sind noch im Versuchsstadium, ich habe gehört, man könne dadurch den Ertrag um 30 – 40 % steigern. In der konventionellen Landwirtschaft gibt’s meist nur 5 % Ertragssteigerung, das wäre natürlich toll. Wenn es gut läuft, machen wir das dann überall. Aber ich bin erst überzeugt, wenn es auch funktioniert. Ein anderes Projekt ist der neue Folientunnel, den die Gemeinschaft gerade bewilligt hat. Das ist eine neue Kulturfläche von 135 m², die ganz andere Möglichkeiten zulässt. Wir können viel mehr Tomaten anbauen, so dass wir keine Dosentomaten mehr kaufen müssen. Und experimentieren mit Auberginen, Paprika und Süßkartoffeln. Wir haben vor, den Tunnel im Laufe des Jahres auch zu verschieben, so dass er mehrfach genutzt werden kann. Das haben Menschen von der Solidarischen Landwirtschaft (SOLAWI) ausprobiert. Die wollen ja auch eine möglichst große Anbauvielfalt für ihre Kunden ähnlich wie hier. Und die Menschen wollen ja auch im Winter eigene Salate. Das ist der große Unterschied zu anderen Gärtnereien. Ein normaler Gärtner baut 2-3 verschiedene Gattungen an (z.B. Zwiebeln und Möhren), wir 50 verschiedene. Und wir machen mehrfache und verschieden große Sätze, so setzen wir 10 x im Jahr Salat, 5-6 x Kohl und 3 x Mais. So können wir immer genauso viel ernten wie wir aufessen.

Barbara: Hast du mal ein paar Erntezahlen?

Axel: Wir produzieren 18000 -20000 kg Gemüse. Oder z.B. 500 kg Erdbeeren, 5 t Kartoffeln, 2 ½ t Kohl. 250 Kisten Salat… Wie gesagt, der Winter ist noch ausbaufähig. Da liefern wir im Moment nur Möhren, Pastinaken, Kohl und Sellerie.

Barbara: Wie lange machst du das denn schon? Und warum?

Axel: Na, ich lebe jetzt sechzehn Jahre hier. Ich bin 57. Also bin ich im Gartenbau seit …42 Jahren. Mit kleinen Pausen, ich war zwischendurch bei der Bundespolizei. Wenn man auf seine Körperhaltung achtet, kann man Garten auch 40 Jahre machen. Es ist körperlich und geistig sehr vielseitig. Und wenn ich noch mal wählen könnte, würde ich wieder Gärtner werden. Es ist der interessanteste Beruf den du dir ausdenken kannst. Du hast mit Menschen zu tun, mit Lebensmitteln, dem Boden, der Natur und entdeckst ständig neue Dinge, weil andere auch am rumforschen sind. Ich habe schon so viele neue Sachen gelernt und fühle mich immer noch als Lehrling. Das macht es tierisch interessant, dass du nicht nur deinen Stiefel machst, sondern versuchst, immer Neues rein zu nehmen. Und dazu gehört noch: Maschinen bedienen und reparieren, Tiefbau, Gewächshaus aufstellen, Wasserrohre verlegen. Machen wir alles selber, ist nicht ganz so schön, aber es funktioniert. Und hier ist der Anbau ja besonders vielfältig. Ein normaler Gärtner macht oft eine Woche die gleiche Arbeit, z.B. Kohl hacken. Aber hier wechseln ständig die Arbeiten, manchmal mehrfach am Tag… Und es sind viele Menschen beteiligt. Letztlich schaffen wir im Garten wie in der Gemeinschaft eine hohe Biodiversität, sowohl bei den Pflanzen als auch bei den Menschen. Woanders wird einfach alles, was nicht Rübe ist, vernichtet. Hier ist es andersrum – wir lassen ganz viel Leben zu und steuern ein bisschen, welches wir fördern wollen. Ich bin auch total froh über die jungen Leute, dass es seit ca. 10 Jahren einen tierischen Zulauf von jungen Leuten auf den Garten gibt. Früher musstest du sie ziehen, jetzt bremsen wir ab. 20jährige interessieren sich für Garten…. Anfangs ist es total schwer, weil sie nur an der Schulbank gesessen haben. Sie haben tierisch Muskelkater und trotzdem bleiben sie da. Und so fühle ich, dass Gartenarbeit wieder Zukunft hat, nicht nur dass wir Lebensmittel erzeugen, sondern die Liebe zum Garten und eine Rückbesinnung auf die eigene Versorgung. Die Landflucht dreht sich um in eine Stadtflucht, Leute finden das Leben auf dem Land wieder interessanter als das in der Stadt. Wenn einer 2-3 Jahre hier war, dann kann er selbst einen eigenen Garten machen und kann sich selbst ernähren. Nicht so professionell wie wir, aber immerhin. Und das macht mir richtig Spaß. Was auch toll ist: ich beobachte gerne meinen kleinen Sohn Lars, er ist mein 4. Kind und viel bei der Arbeit dabei… er ist jetzt 6 ½ Jahre und hat tierischen Spaß im Garten und lernt spielerisch. Und wenn man ihn fragt, was er werden will, sagt er: Ich mache irgendwann die Gartenleitung. Ich selber mache vielleicht noch 10 ,15 Jahre, dann ist er Anfang 20, theoretisch könnte er das dann. Als Lars geboren wurde, war ich ausgebrannt. Mein Arzt sagte: „Noch 6 Monate und du bist im Krankenhaus.“ Und da hatte ich überhaupt keinen Bock drauf. Aber Lars war gerade geboren und da habe ich die Hälfte der Betreuungszeit übernommen und ihn mitgenommen. Er hatte immer eine Zeit lang Geduld und dann keinen Bock mehr. Und so waren wir zwischendurch Eis essen, spazieren… er hilft mir ganz oft, wenn er mal sagt: „Papa können wir nicht was anderes machen?“ Er hat diese natürliche Grenze: Jetzt wird es zu viel. Denn immer nur arbeiten ist auch Monokultur. Also machen wir jetzt Permakultur draus. Und dieses Ausgebrannt sein ist weg. Biodiversität ist Heilung.

Das Interview führte Barbara Stützel



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